Donnerstag, 24. Januar 2013

Ivo Lutions Erfolge

Ivo Lutions Erfolge. Trotz einiger üblen Einbrüche der Evolution (wie eine verlorene Wette), die uns das Fernsehen vermittelt, gibt es zuweilen doch herzerwärmende Fortschritte. So durfte ich einen Bericht über die Ägäis verfolgen, worin einem älteren Inselbewohner vor laufender Kamera endlich erlaubt wurde, neben dem Dorfältesten auf der Dorfbank in der Mitte der Ortschaft Platz zu nehmen. Ein riesiger evolutionärer Schritt. Dem alten Mann standen vor Rührung Tränen in den Augen. Der Alte, nennen wir ihn Sitzos der Grieche, wurde nach einigen Ouzos gesprächig und erzählte aus seinem spannenden Leben.
Sitzos: „Zwanzig Jahre habe ich dafür gekämpft, dass ich endlich in der Sonne sitzen darf. Wissen Sie, für uns hier bedeutet das alles. Früher als ich noch ein junger Mann war, machten mir die Mädchen schöne Augen. Aber was ist das wert? Nichts. Hier in der Sonne sitzen, den Touristen alte Lügen auftischen und sich einige Klare dafür ausgeben lassen, das ist das Leben. Haltet mir doch bloß die alten Weiber vom Hals. Jammern und Klagen können die, das ist alles. Und die jungen Leute ziehen fort von hier. Stehen in Hamburg auf dem Rathausmarkt und verkaufen Ouzos und Schafskäse,“ nörgelt er. „Und wer soll die Schafe hüten? Ich traue dem Mann von der Bank nicht, der gerade vorbeikommt und grüßt, der macht sich ein gutes Leben auf unsere Kosten…“ Sitzos darf nicht ausreden, der Dorfälteste beschimpft ihn, während die Kamera über die von der Sonne versengte Landschaft schwenkt. Man erzählt sich viel über Sitzos den Griechen. Solch ein Schlitzohr – es gibt sogar ein Lied über ihn; denn hier ist das Leben noch voller Frauen und Gesang. Deshalb sind seine Nachkommen auch über die ganze Inselwelt verteilt. Ja, so ist das in der Ägäis. Eine Fähre zur Nachbarinsel hat pleite gemacht. Nun ist der Alte, der drüben Kinder hat, auf den Fischer angewiesen. Sitzos fletscht erbost die Zähne. Davon hat er noch drei oben und einige mehr unten, allesamt vergammelt, aber einen klugen Kopf besitzt er, das sagen alle.

Es gibt noch viele andere Orte auf der Erde, wo sich die Evolution dank/trotz widriger Umstände durchsetzt. Zum Beispiel verdient sich Miguel am unteren Zipfel Südamerikas durch Schafzucht sein Einkommen. Auch er nörgelt, während er mit Hilfe seines Pferdes die Herde zusammentreibt und sie von der Sommer- auf die Winter-Graslandschaft bringt. Arschkälte, flucht er, etwas im patagonischen Dialekt, was auf Spanisch etwa Los muchos Arschos Frostos heißt. 200 Euros verdient er monatlich, was viel ist in dieser Gegend. Aber seine Freiheit, die hat er – ganz umsonst. Auch ziemlich weit nördlich am Bering-See ist es kalt, aber davon spricht Gutsev nicht, er hat andere Sorgen. Der Motor seines Hilfsbootes streikt, und nun muss er sich etwas einfallen lassen. Kein Boot – kein Fisch, und wenn seine Frau (im Seehundsfell) erst anfängt zu keifen, weil ohne Fisch die vielen Mäuler hungrig bleiben müssen, dann macht ihm der Tag keinen Spaß mehr. Gutsev denkt, denkt lange. Noch zwei Stunden, dann kommt die Dunkelheit und verschlingt das Licht. Er wird, was ihn sehr schmerzt, gegen Wodka beim Nachbarn eine Zündkerze eintauschen müssen.

Sowas ist Überleben pur! Erfolge der Evolution. Während wir im gemütlichen Stübchen sitzen und Malefiz spielen, kämpfen Menschen wie Miguel und Gutsev um jeden einzelnen Tag ihres Daseins! Tja. Ich muss sagen, ich bin stolz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen