Donnerstag, 20. Dezember 2012

Bismarcks Weihnachtsteller

Ivo Lutions Notiz-Blog – Bismarcks Weihnachtsteller
Dank der Evolution gibt es seit geraumer Zeit Weihnachtsteller mit einer Vielzahl von Nüssen drauf. Weder in der Stein-, Eisen- noch Bronzezeit war so etwas vorhanden. Es gab zwar haufenweise Grabbeigaben (aus Omis Küche plus Schnaps) für die Reise ins Jenseits, aber gerade zur Weihnachtszeit saßen die Fell-Familien ohne irgendwelche Aufmunterung da. Dank der Erfindung des Rades gab es wenigstens „meals on wheels“ für die Älteren (damals also schon ab ungefähr 15 Jahren).
Die gleiche Evolution brachte viel später den Reichskanzler Bismarck hervor, der sein Leben lang unter chronischem Sodbrennen und vor allem unter äußerst schmerzhaften Hämorrhoiden gelitten hat. Warum? Lag es wirklich am Weihnachtsteller, der auf seinem Schreibtisch neben den Akten stand, und von dem der Kanzler fleißig naschte? Also an der Evolution hat es nicht gelegen. Meine Theorie ist folgende: Bismarck sitzt in der Vorweihnachtszeit gelangweilt an jenem Schreibtisch und spielt, während er über die aufbegehrende Arbeiterschaft nachdenkt, versonnen mit jener Kugel, die ein Attentäter auf ihn einst abfeuerte. Diese Kugel war, wie bekannt, in Bismarcks dicker Bekleidung hängengeblieben. Nachdem er genügend darüber gegrübelt hatte, wie man die Arbeiter zum Schweigen bringen könne, fiel sein Blick auf ein kleines Päckchen, das aus dem Korb „private, eingehende Post, also nichts vom Kaiser und anderen Bittstellern“ hervorstach. Ein Päckchen, vielleicht sogar ein Weihnachtsgeschenk nur für ihn, den verkannten Fürsten?
Bismarck, die Inkompetenz von Attentätern inzwischen voraussetzend, stürzte sich voller Vorfreude über den Karton (aus Frankreich!) und öffnete ihn. Sein Herz schlug erwartungsvoll. Ein hübsch eingeschlagener Beutel voller Nüsse und eine Weihnachtskarte befanden sich darin. Die Schrift auf der Karte erkannte er sofort wieder. Es war dieselbe Handschrift wie auf der Kapitulationsurkunde von Sedan, die von Napoleon dem Dritten: Ich bin zwar kein Mann der vielen Worte, aber ich bin Franzose genug um sagen zu können: In Ordnung, Bissi, Du hast meinem Leben einen neuen Inhalt gegeben. Dafür bin ich Dir mehr oder weniger sogar dankbar und möchte Dir ein kleines Geschenk machen: diese Nüsse hier haben mir Freunde aus dem jetzt von Euch besetzten Elsass besorgt. Sie sind für Männer, die wie Du viel am Schreibtisch sitzen. Und fördern die Verdauung für Staatsmänner wie mich, die viel runterschlucken müssen. Mögen sie Dir gut tun. Grüß den wie immer undankbaren Pöbel von mir. Mach’s wie ich, schenk’ ihm eine Versicherung, die nichts zahlt. Der Witz damit ist nämlich, dass man den großen Volksmassen nie die Illusion der Gerechtigkeit rauben sollte. Sonst machen die erst richtig Ärger. Immer Dein Naps und Frohe Weihnachten.
Bismarck war von dieser freundschaftlichen Geste tief beeindruckt. Würden nur alle von ihm besiegten Feinde (sprich: Österreicher) eine solche Größe beweisen! In vorweihnachtlich vergnügter Stimmung schüttete er die Nüsse auf seinen Weihnachtsteller und aß nach und nach davon. Wie durch ein Wunder verschwand sein Sodbrennen sofort. Eine Weile später allerdings wurde sein Mastdarm durch die scharfkantigen Nussreste kräftig beschädigt, wodurch Hämorroiden aufkamen, die er nie wieder loswerden würde. So also entstand der geschichtsträchtige Fluch, die Elsässer hätten ihm am Arsch. Plausibel? Auf jeden Fall, meine ich, durchweg lebendige Geschichte. Mit einer gehörigen Warnung vor Weihnachtsnüssen! Euer Ivo.


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Samstag, 8. Dezember 2012

Ivo Lution Notizblog Dezember

Ivo Lutions Notizblog Dezember

Nach der Lesung ist vor der Lesung. Wohl einer der bekanntesten Sätze unseres Gönners Eduard Küneke, zeitweise auch Berater und Agent unzähliger Schriftsteller und Operettenverfasser. Davon später, zuerst zu den Fakten. Wer nicht zur Lesung kam waren: Touristenbusse, die aus Versehen zum Musical „Lion King“ fuhren. Kreuzfahrtschiff-Passagiere, die sich auf St. Pauli in Laufhäusern verirrt hatten. Die Fußballer von St. Pauli selbst, nebst Intellektuellen-Anhang und Gegnern aus Duisburg. Bestsellerlisten-Verfasser, sowie Therapeuten, Kultursprecher und alle, die ihre Argumentation mit Also hören Sie mal, Sie können doch eine Kurzgeschichte nicht mit dem Leben selbst vergleichen beginnen. Diejenigen, die erschienen, waren hingegen gute Zuhörer. Eduard Küneke entschuldigte sich mit der Ausrede, dass ja das Schreiben und das Lesen noch nie sein Fach gewesen sei. Er vertritt im Grunde die Auffassung dass eine Lesung, ja die Schriftstellerei an sich, kein Bestandteil unserer Evolutionskette ist. „Sie führt zu nichts,“ teilt Eduard brutal mit, „ein Überleben als Schriftsteller/in gelingt daher nur selten.“ Eduard Küneke ist einer der wenigen, die Charles (Charly) Darwin noch persönlich gekannt haben wollen. In seinen Erinnerungen schreibt er u.a.: Charly zeigte mir einmal einige seiner frühen (sprich: Kinder-) Zeichnungen, wobei es sich hauptsächlich um Kaninchen handelte, die entweder schwarz oder unbemalt (weiß) waren.Viele Jahre später fand ich gerade diese Zeichnungen in verschiedenen Biologie-Büchern wieder, wo sie unsere Evolution illustrierten. Eduards Erinnerungen sind, wie übrigens die meisten Erinnerungen anderer, auch noch nicht verlegt. Also: selbst Agenten haben nicht immer die richtige Lösung.
Aber zum Thema: Nach der Lesung gab es reichlich Beifall, und es ist mir klar geworden, warum und wie schnell daraus Abhängigkeit entsteht. Beifall beeinflusst das Immunsystem, weil das giftige Gemocht-werden-wollen-Hormon in die äußere (rechte) Gehirnschale vordringt. Dieses GWW-Hormon (Evolutions-Fachabkürzung) unterstützt auf die Dauer den Drang zur Eigenliebe und/oder Selbstüberschätzung. Wem es also nicht gelingt, in dieser Hinsicht Antikörper zu mobilisieren, wird schnell urteilsunfähig. Verlässt man sich auf die Vortrefflichkeit der eigenen Person, um andere Menschen zu beeindrucken, findet man sich bald im Abseits wieder. Diese warnenden Worte sollten besonders bei der Auswahl von Weihnachtsgeschenken bedacht werden. Es ist z. B. keine gute Idee, die eigenen Bücher-Restauflagen an Bedürftige zu verteilen oder Proben seines Könnens in Zahnarzt-Wartezimmern zu deponieren. Das könnte sich beim nächsten Arztbesuch rächen. Da sich aber das GWW heutzutage nicht wegdenken lässt und in diesen Tagen (Dezember) besonders aktiv ist, wünsche ich allen die Gabe, an das eigentlich Wesentliche zu denken. Siehe: die Geschichte „23. Dezember“ aus dem Buch „Eine Wintertaufe und andere Weihnachtsgeschichten“.