Samstag, 17. November 2012

Ivo Lutions Notizblog  4. Eintrag
Wie den Überlebenswillen noch zusätzlich stimulieren? Um in der Lehrzeit überhaupt zu überleben, legte ich jeden Morgen eine 45-er auf den Plattenspieler (gleich zwei so gut wie ausgestorbene Begriffe). „We Can Work it Out“ von den Beatles lieferte erst einmal Motivation für den Anfang des Tages. Wobei „Norwegian Wood“ qualitativ höher steht. In späteren Jahren folgten „Knocking on Heaven’s Door“, „I did it my way“ und andere aus dem Zusammenhang gerissene Auf- oder Abputsch-Texte. Wenn heute Fußball-Fans „You’ll ne-ver walk alone“ grölen, wenn sie Wehmut verspüren und sich gegenseitig Trost schenken möchten, so ist das ein glatter Selbstbetrug. Ja, du bist allein, wenn dein Verein nicht gewinnt – und wie! Du allein musst irgendwie damit fertig werden. Es gibt niemanden, der dir das abnimmt. Und nein, es kommt nicht dazu, dass ein ungerechtfertigter Elfmeter zurückgenommen oder etwa wie bei der Börse ein Verlust als Gewinn gewertet wird. Und wenn du aus Verzweiflung nachts deine Fan-Club-Bettwäsche vollschwitzt, wird kein Therapeut der Welt die Waschmaschine für dich anstellen. Auch wird am nächsten Tag beim Stammtisch im Fernsehen oder am Stamm(-zellen)-Tisch in der Kneipe dir allein die Schuld zugewiesen werden. Denn nur weil du ein schlechter Mensch bist und deinen Hochzeitstag vergessen hast, hat dein Verein verloren. Die Evolution, deine für die großen Spiele noch unreifen Genen, sind allein daran schuld. Wenn die Frau dir rät, es lieber mit Badminton zu versuchen, hilft auch keine Scheidung. In der Evolutionskette gibt es immerhin Sportreporter, die noch niedriger stehen. Siehe „Wenn Wörter töten könnten“, Seite 160; Affen-Neandertaler-Sportreporter ist dort die Entwicklungsfolge.
Nein, kein Lied tröstet uns über Niederlagen hinweg. Was die Agonie dann auch noch steigert ist die Tatsache, dass es Winter- oder Sommerpausen gibt. Unaussprechlich lang, mit schmerzhaften Entziehungssymptomen wie sie uns nur von Rauchern bekannt sind.

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